Lied eines Soldaten 
 

Sein Kiefer war in seiner Kehle,
Die Lippen und die Zähne weg,
Ein Aug war stumm, daneben stern-
Förmig ein Loch und Dreck.
 
Die Augenbrauen waren dünn,
Und seine Nase war gesund.
Die Wirbelsäule war zu sehn.
Das Loch im Hals war groß und rund.
 
Die Kameraden trösten mich
Er war bewaffnet, sagen sie.
Ein Glück, dass ich am Leben bin
Und hier vor dem Verlierer knie
 
Und stumm auf seine Leiche starr
Nur gibt das alles keinen Sinn
Ein Schulterklopfen und ein Klaps
Glück heißt, dass ich der Sieger bin
 
Das erste Opfer ist die Wahrheit
Der Sieg gehört dem Widerspruch
Das zweite Opfer ist der Sinn
Nach dem ich noch vergeblich such
 
Wunderschön das Weizenfeld,
Das durch die Schüsse Feuer fing.
Grau ist der Schlamm und schwarz das Blut
Des Leichnams, der am Baume hing.
 
Bei allem Ekel ist es so, 
Dass sich ins Grauen Staunen mischt
Wenn eine Leuchtspur vom Geschoss
Blutig am Nachthimmel erlischt 
 
Das erste Opfer ist die Wahrheit
Der Sieg gehört dem Widerspruch
Das zweite Opfer ist der Sinn
Nach dem ich noch vergeblich such
 
Der Krieg ist wie ein Nebellicht
Ist in der Hölle Euphorie
Stehst du am Rand des Todes dort
Bist du lebendig wie noch nie
 
Doch Klarheit gibt es nicht im Krieg
Nur Panik, dass man sterben könnt
Und Dankbarkeit für jeden Tag
Den dir das Schicksal noch vergönnt
 
Das erste Opfer ist die Wahrheit
Der Sieg gehört dem Widerspruch
Das zweite Opfer ist der Sinn
Nach dem ich noch vergeblich such

Text: Georg Clementi inspiriert von Was ist Krieg von Evelyn Finger, DIE ZEIT Nr:32 vom 5.8.2010
Musik: Tom Reif 

Tom Reif: Stahlsaiten-Gitarre, Nylon Gitarre, Irish Bouzouki, E-Bow Banjo, Fretless Bass
Sigrid Gerlach-Waltenberger: Akkordeon, Glockenspiel

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